7.12.2016 PM der Stadt Konstanz
Die Stadt Konstanz will bis zum Jahr 2030 ihre
CO2-Emissionen halbieren. Das sieht das Konstanzer Klimaschutzkonzept vor, das die Stadt in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet hat. Es enthält 38 Einzelmaßnahmen und dient als Grundlage des
Konstanzer Beitrags zum Erreichen der Pariser Klimaziele. Am 8. Dezember 2016 wird das Konzept im Technischen und Umweltausschuss vorberaten und am 20. Dezember dem Gemeinderat zum Beschluss
vorgelegt.
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Fünf Fragen zum Integrierten Klimaschutzkonzept der Stadt Konstanz
von Greenpeace Bodensee, Klimastadt Konstanz, Energievisionen, Gemeinwohlökonomie Regionalgruppe Konstanz, Naturschule Konstanz, Foodsharing Konstanz, GemeinsamGarten, Permakultur Konstanz, inFact Lifestyle, Essbares Konstanz, naturblau+++ und dem Interessenkreis Stadtplan Zukunft e.V.
Konstanz 19. Dezember 2016
Wir erkennen das Bemühen der Stadt Konstanz an, mit dem nun vorliegenden Klimaschutzkonzept (IKSK) den Pariser Beschlüssen zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf möglichst 1,5 jedoch deutlich unter 2°Celsius Rechnung zu tragen. Gleichwohl fallen bei den angestrebten Zielen und Maßnahmen nicht nur einige Ungereimtheiten auf, sondern die Geschwindigkeit mit der hier Klimaschutz betrieben werden soll, bleibt weit hinter dem zurück, was nötig wäre um ein Überschreiten dieser Grenze und der sehr wahrscheinlich damit verbundenen Kipppunkte im Klimasystem zu verhindern. Wird hier nicht zügig, d.h. in deutlich weniger als 5 Jahren nachgebessert, besteht wenig Hoffnung für die Generation der heutigen Kinder und Jugendlichen, den unvermeidlichen Übergang zu „Null CO2 Emissionen“ noch irgendwie geordnet gestalten zu können.
Folgende Fragen scheinen uns deshalb besonders wichtig:
1) Die Vision der 2000 Watt Gesellschaft zielt auf die Reduktion ALLER energiebedingten Treibhausgasemissionen im Leben der KonstanzerInnen auf max. 0,7 – 1 Tonne CO2 pro Jahr bis 2050. Warum gilt dieser Wert im IKSK nun plötzlich nur noch für die vor Ort anfallenden Emissionen? (vgl. S. 86 IKSK)
Die Stadt Konstanz kann auf CO2 Emissionen, die außerhalb der Stadt anfallen, naturgemäß nur begrenzt Einfluss nehmen. Trotzdem ist am Ende doch immer die Summe aller von einer Person verursachten Treibhausgase entscheidend für den Erfolg beim Klimaschutz.
Um mit dem IKSK also auch nur den Zielen der 2000 Watt Gesellschaft treu zu bleiben, müssten die nicht direkt vor Ort verursachten Emissionen bis 2050 auf Null sinken. Dies betrifft unter anderem die Ernährung, den sonstigen Konsum, nationale und internationale Reisen und Transporte, die Gewinnung und Verarbeitung von Baumaterialien sowie alle Emissionen des Landes und Bundes, umgerechnet auf den einzelnen BürgerInnen.
Tatsächlich sind aber gerade diese Sektoren wohl kaum in der Lage, bis 2050 CO2 frei zu arbeiten. Das bedeutet, dass zu den im IKSK angestrebten 0,7–1 Tonne CO2 noch einmal mindestens die gleiche Menge hinzukommen dürfte. Dies entspräche Treibhausgasemissionen von grob geschätzt mindestens 1,4 – 2 Tonnen CO2 pro BürgerIn und Jahr auch noch im Jahr 2050. Umgerechnet auf dann vermutlich 10 Mrd. Menschen wären das 14 bis 20 Mrd. Tonnen CO2 im Jahr – rund die Hälfte des heutigen weltweiten CO2 Ausstoßes von ca. 36 Mrd. Tonnen.
Die dann handelnde Generation müsste allerdings nicht nur diese, sondern zusätzlich auch noch sämtliche heute und bis dahin ausgestoßenen CO2 Verschmutzungen wieder aus der Atmosphäre entfernen. Technologien, die dies ermöglichen, existieren bis heute nicht.
2) Die CO2 Emissionen in der Stadt Konstanz sollen bis 2050 relativ gleichmäßig auf den Zielwert von 0,7 – 1 Tonne CO2
reduziert werden.
Ist diese Linearität der dramatischen und sich exponentiell zuspitzenden Klimakrise angemessen? Und würde ein heute
geborenes Kind dies als gerecht empfinden?
Keine Frage, wir brauchen angesichts des „Fahrt aufnehmenden“ Klimawandels keine Panikmache, sondern besonnenes Handeln.
Gleichwohl ist jedes Aufschieben schon heute technisch machbarer Emissionsreduktionen eine enorme Belastung für unsere
Kinder. Denn um den gleichen Einspareffekt wie eine heute unterlassene Maßnahme zu entfalten, braucht es in der Zukunft
ein vielfaches an Anstrengung.
Wird hier also nicht die ältere Generation, die für einen Großteil der bisherigen CO2 Emissionen verantwortlich ist, belohnt, indem
ihr kaum Anstrengungen abverlangt werden, während der heutigen Jugend so kaum noch Handlungsoptionen bleiben, den
schwierigen Übergang in eine Welt ohne fossile Energien zu gestalten?
Der geplante Absenkpfad (vgl. S. 11 IKSK) muss aus unserer Sicht dringend angepasst werden. Technisch machbare Einsparungen
müssen so schnell wie irgend möglich umgesetzt werden und nicht unbedingt notwendige Emissionen sofort beendet werden.
Ein schnelles Sinken der Emissionen gefolgt von einer weiteren wenn auch langsameren Reduktion würde die Lasten gerechter
verteilen und die heutige Jugend nicht in den nächsten Jahrzehnten mit einer kaum zu meisternden Aufgabe allein lassen.
3) Im IKSK wird ein „Fahrplan“ für Klimaschutzmaßnahmen aufgestellt, der sich offensichtlich an den zur Verfügung
stehenden Finanzmitteln der Stadt orientiert. Warum werden hier keine alternativen Finanzierungskonzepte untersucht,
um technisch Machbares schon heute umzusetzen?
Viele der angestrebten Maßnahmen würden sich allein durch die eingesparte Energie oder den Umstieg auf heimische Energieträger im Laufe weniger Jahre bezahlt machen. Statt diese Maßnahmen nach und nach aus dem Stadtsäckel zu finanzieren
schlagen wir die Einrichtung eines Bürgerfonds vor. Dies würde es den KonstanzerInnen ermöglichen, ihr Geld in reale Werte
und die ökologische Umgestaltung ihrer Stadt zu investieren, und gleichzeitig helfen, die nötigen Emissionsreduktionen generationengerecht, d.h. so schnell wie technisch möglich zu erreichen.
Durch intelligente Konzepte können aber auch die BürgerInnen selbst zum sofortigen Austausch von „Stromfressern“ angeregt
werden und gleichzeitig lokales Handwerk und Handel profitieren. Das Tübinger Modell zum „kostenneutralen“ Austausch von
Kühlgeräten und Heizungspumpen könnte hier Vorbild sein.
(vgl. Boris Palmer: „Eine Stadt macht blau“, KiWi Verlag)
4) Als Modell für die Einbeziehung der Bürgerschaft in das Klimaschutzkonzept wird immer wieder die
Öffentlichkeitskampage „Wir leben 2000 Watt“ angeführt. Wie gut sind die KonstanzerInnen aber tatsächlich über die
2000 Watt Gesellschaft informiert und ist diese Art der Ansprache ausreichend?
Anders als z.B. in Zürich, wo alle BürgerInnen über die „Einführung“ der 2000 Watt Gesellschaft abstimmen durften, wurde den
KonstanzerInnen das Konzept quasi „von Amts wegen“ übergestülpt, gefolgt von u.a. einer Postwurfsendung, um sie über das
neue gemeinsame Ziel zu informieren.
Um die Menschen in Konstanz „mitzunehmen“ und wirklich Wirkung zu entfalten, braucht das neue Klimaschutzkonzept einen
anderen Ansatz und eine für jeden Bürger spürbare Priorität in der Lokalpolitik. Statt der immer gleichen interessierten BürgerInnen und Umweltakteure braucht es einen breiten Beteiligungsprozess – nur so wird aus dem politischen ein gesellschaftliches Ziel.
5) Nach Verabschiedung des IKSK am 20. Dezember durch den Stadtrat plant die Stadt beim Bund Fördermittel für die
Stelle eines Klimaschutzmanagers zu beantragen. Mit der Genehmigung der Mittel und anschließenden Besetzung
dieser Stelle ist frühestens im Sommer 2017 zu rechnen. Was passiert bis Mitte 2017 und welche Maßnahmen werden bis
dahin schon umgesetzt?
Nach der jahrelangen Ausarbeitung des Konzeptes und zuletzt einer mehrmonatigen Verzögerung, das fertige Konzept in den
Stadtrat zu bringen, ist ein weiteres halbes Jahr des Nichtstuns beim Klimaschutz in Konstanz nicht akzeptabel.
Hier braucht es politischen Mut um die Stelle, notfalls auch unter anderem Titel, so schnell wie möglich zu besetzen. Alternativ
oder besser noch begleitend dazu, sollte bereits jetzt mit der Umsetzung der ersten ambitionierten Maßnahmen begonnen
werden. Gerade auch als starkes Signal an die Konstanzer BürgerInnen, sich ebenfalls engagiert für ein enkeltaugliches Klima
einzusetzen.
Als Konstanzer Umweltgruppen und -engagierte würden wir die Stadt gerne bei diesem Prozess unterstützen. Ein Mittel hierzu
könnte die Einrichtung eines Klimarates sein, der aktuelle Maßnahmen in der Stadt auf ihre Generationengerechtigkeit prüft
und Anregungen zur klimafreundlichen Umsetzung gibt.
Bonusfrage:
Warum ist der Konstanzer Presse bei der Berichterstattung zum IKSK nicht aufgefallen, dass die jährlichen CO2 Emissionen
eines Konstanzers oder einer Konstanzerin nicht 6,5 Tonnen (dies sind nur die lokal verursachten Emissionen), sondern
rund das doppelte betragen?
Wir glauben es ist Zeit, die wichtigen Zukunftsfragen unserer Generation mit der gleichen Hingabe journalistisch aufzuarbeiten
wie Weinfest und Fasnet.
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